Wie werde ich angemessen wahrgenommen?
Wie gelingt Verbandsentwicklung?
Braucht es eine Frauenquote im Verbandswesen?
Darüber spricht spricht Janina Tiedemann mit Petra Bentkämper im Rahmen ihrer Interviewreihe "Einstieg. Aufstieg - für Frauen in Politik & Verbänden.
Petra Bentkämper
Präsidentin Deutscher Landfrauenverband e. V. Vizepräsidentin Westfälisch-Lippischer LandFrauenverband,
Mitglied Zukunftskommission Landwirtschaft
Verbandsentwicklung - (potentielle) Mitglieder fragen als Schlüssel
Die Verbandsentwicklung war für mich schon immer ein spannendes Thema, für das ich mich auch freiwillig 2010 in den Ausschuss in Berlin habe wählen lassen.Der LandFrauenverband muss aus meiner Sicht ständig an sich arbeiten, über Satzungen und strukturelle Anpassungen sprechen und vor allem mehr junge Frauen mit ins Boot holen.
Vor knapp 6 Jahren haben wir das Projekt “Junge Landfrauen” ins Leben gerufen und das steht bis heute bei uns ganz oben auf der Agenda.Ich war bis vor ein paar Jahren ganz selbstsicher der Meinung zu wissen, was junge Frauen möchten, bis ich an den Punkt kam, sie einfach mal zu fragen.Ich dachte, wenn die jungen Frauen sehen, dass sich der deutsche LandFrauenverband mit der Interessensvertretung, der Versorgung im ländlichen Raum, mit Kitaplätzen und der Hebammenversorgung beschäftigt, dann haben wir sie abgeholt. Ganz so einfach war es dann aber doch nicht.
In der Kommunikation hat sich dann gezeigt, dass junge Frauen durchaus den Anspruch haben, etwas vor Ort zu verändern aber auch Gemeinschaft suchen. Ich durfte lernen, dass die Gemeinschaft und das gemeinsame Erleben auch bei den jungen Frauen ganz oben stehen.
Daraus entwickeln sich dann auch politische Interessenvertretungen vor Ort.
Wir haben gelernt, dass junge Menschen gern projektbezogen arbeiten und sich ungern so lange binden lassen, wie das teilweise bei uns üblich ist.
Mittlerweile hat sich deutschlandweit vieles verbessert in den letzten Jahren und uns gezeigt, dass wir als LandFrauenverband immer wieder schauen müssen, in welche Richtung wir uns weiterentwickeln und auch Veränderungen zulassen.
Themen durchbekommen, sodass die Politik sie wahrnimmt
Wir treffen uns in Berlin in unseren Ausschussgremien und überlegen dort, was gerade wo brennt und welchen Themen wir uns unbedingt widmen müssen. Es gibt Themen, die an uns herangetragen werden und auch welche, die wir direkt als Ausschuss auf Bundesebene als wichtig erachten.
In so einem Ausschuss wie er beispielsweise im März zum Thema Gemeinschaftsverpflegung zusammenkommt, tagen dann meine LandFrauenexpertinnen, die einen (teilweise wissenschaftlichen) Input von außen bekommen und aufgrund dessen ein Positionspapier zu dem entsprechenden Thema erstellen. Solch ein Positionspapier beleuchtet die Dinge ganz genau und stellt auch entsprechende Forderungen. Nachdem dieses an die Politik weitergeleitet wurde, kommen die Gesprächsanfragen und wir gehen in den Austausch mit Politikerinnen und Politikern.
Unsere Meinung in Berlin ist sehr gefragt und wir werden als Verband zu Themen wie Gleichstellung und Ehrenamtsförderung in den Bundestag eingeladen.
Gerade erst haben wir ein neues Projekt mit der EAF gestartet:"Aktionsprogramm Kommune - Frauen in die Politik", welches dadurch zustande gekommen ist, dass wir uns mit der “Berliner Erklärung” ein Netzwerk von Frauenverbänden geschaffen haben, mit denen wir uns immer wieder treffen und Synergien nutzen.
Angemessen wahrgenommen werden
Um wahrgenommen zu werden, muss man die Dinge benennen die man tut - im Kleinen wie im Großen.
Früher hätte ich mich über die saloppen Aussagen, dass die LandFrauen, die mit den gebackenen Kuchen seien, geärgert. Heute sage ich: Ja, das stimmt, wir können gut backen und kochen und wir können noch mehr.
Ich appelliere an alle Frauen noch viel selbstbewusster ihre Stärken zu zeigen und viel mehr darüber zu sprechen, was sie alles können und was wir auch als Verband leisten.
Auch ich darf mir das immer wieder bewusst machen, welche Kraft wir mit unseren 450.000 Mitgliedern haben. Wir müssen unsere Größe auch in Stärke umwandeln.
Wichtigkeit eines Titels
Ich habe mich anfangs mit dem Titel der Präsidentin schwer getan, in der Außenwirkung ist dieser allerdings sehr wichtig - insbesondere, wenn man mit den Präsident*innen anderer Verbände am Tisch sitzt.
Man muss ein wenig aufpassen, dass nicht alle nur noch die Präsidentin sprechen möchten und kommunizieren, dass die Kompetenz sich auf ein wunderbares Team verteilt. Ich habe zwei tolle Vizepräsidentinnen und ein kompetentes Präsidium und Hauptamt an meiner Seite, die ich dort auch unbedingt brauche und ohne die es nicht ginge.
In manchen Landesverbänden teilen sich zwei oder drei Frauen die Position der Vorsitzenden.
Hier kristallisiert sich allerdings auch heraus, dass eine das Gesicht nach Außen sein sollte.
Sich gegenseitig für Ämter unterstützen
Auch wenn Verbandsmitglieder sich in andere (politische) Positionen wählen lassen und vielleicht weniger aktiv bei uns sein können, ist dies eine riesen Chance, denn diese Personen kennen uns und können - dem Netzwerkgedanken folgend - sehr förderlich für den Verband sein.
Wir Frauen sollten viel mehr andere Frauen stärken und uns nicht gegeneinander ausspielen lassen, denn Männer stärken Männer sehr häufig. Wir müssen uns immer wieder vor Augen führen, dass Frauen weiterhin seltener in Führungspositionen vertreten sind und daher jede Chance nutzen, eine Frau in ein wichtiges Gremium zu wählen.
Es ist nicht damit geholfen, sie bei uns zu halten, wenn sie in einer anderen oder höheren Position auch für uns von Vorteil sein kann.
Die persönliche Verbindung und das Netzwerk bleiben ja weiterhin bestehen.
Eine Frauenquote im Verbandswesen?
Ich war erst zwei Monate im Amt, da habe ich mich bereits weit aus dem Fenster gelehnt und mich für eine Frauenquote im Bauernverband ausgesprochen und vertrete diese seither. Es wurde zwar nicht immer freundlich aufgenommen, dass ich als Präsidentin der LandFrauen am Bauernverband “herumgemäkelt” habe, aber ich habe immer verdeutlicht, dass ich dies tue, weil ich denke, dass es der Landwirtschaft gut tut.
Es ist schön zu sehen, dass beim Deutschen Bauernverband versucht wird, Wege zu finden, wie Frauen ins Präsidium kommen können.
Spannend fand ich, dass ich schon gefragt wurde, wie es denn dem LandFrauenverband gefalle, dass der Bauernverband ihnen unter Umständen die guten Frauen abwirbt.
Da sage ich locker: “Sie seien euch gegönnt” 😉
Mein Appell:
Ich wünsche mir mehr mutige Frauen, die aus der Masse heraus treten und gesehen werden.Jedoch sollte uns auch bewusst sein: “Wer sich einsetzt, der setzt sich aus.”Nicht immer bekommt man nur Lob für sein Engagement, sondern muss sich auch für negative Kritik wappnen.
Hier sehe ich auch uns / den jeweiligen Verband in der Pflicht, die Mitglieder hierfür fit zu machen.
Datum des Interviews: 10.02.2022