Wahl verloren und trotzdem gewonnen – wie wir trotz Niederlagen gut gelaunt bleiben

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Hella Bachmann

Was haben Wahlkampf und Bier-Vertrieb gemeinsam? 

Wie prägt ein Wahlkampf die eigene Person? 

Wie schaffe ich es, in einer Niederlage etwas Positives zu sehen?

Diese und weitere Fragen beantwortet Hella Bachmann im Rahmen der Interviewreihe “Einstieg. Aufstieg - für Frauen in Politik & Verbänden”. 

Hella Bachmann

Kreistagsabgeordnete und Kreisvorsitzende CDU

Die Entscheidung als Newcomerin für den Landtag zu kandidieren

Es war mir von Anfang an klar, dass es nicht ganz einfach werden würde. Meine Hauptwettbewerberin kam von der SPD. Diese Kandidatin ist schon lange politisch aktiv; ich bin als Quereinsteigerin dazu gestoßen und habe innerhalb von sieben Monaten versucht, die Menschen auf meine Seite zu holen. Ich bin den Wahlkampf von Anfang an sportlich angegangen und habe mir gesagt: Entweder es klappt oder eben nicht. 

Ich kenne zwar überall im Landkreis Leute, da ich von hier stamme und auch viel aktiv bin,dennoch musste ich als Newcomerin im politischen Umfeld nochmal ganz anders für Präsenz sorgen. 
Meiner Meinung nach kommen aus allen Parteien zu viele Berufspolitiker*innen in den Landtag und ich wollte dem Ganzen etwas Leben einhauchen. Ich habe daher von Anfang an meinen Fokus auf meine Lebenserfahrung gesetzt, die ich in die Landespolitik einbringen wollte. 

Die Rückmeldungen zu meinen Auftritten in der Öffentlichkeit waren positiv. Sieben Monate Wahlkampf waren für mich ein bisschen wie “Dauerurlaub”. Das ist total mein Ding! Ich habe sehr viele Termine wahrgenommen und tolle Vereine, Projekte und spannende Persönlichkeiten besucht. Ich habe mich wieder gefühlt, wie in der Zeit, als ich im Außendienst für die Bierbranche tätig war 😉 Letztendlich will man im Wahlkampf ja auch etwas “verkaufen”.

Wie kann so ein Wahlkampf aussehen?

Ich habe für mich die Entscheidung getroffen, es ganz oder gar nicht zu machen. Mein Ziel war es, am Ende in den Spiegel gucken zu können, mit dem Wissen, dass ich inhaltlich und zeitlich alles gegeben habe. 

Ich habe daher von Anfang an Gas gegeben, für manche Kollegen aus anderen Parteien eventuell etwas zu früh. Der allgemeine Konsens war, Richtung Sommer geht es in die heiße Phase; bei mir war allerdings bereits ab März die heiße Phase. 

Anders als die meisten denken, kommt von der Partei und dem Staat kein Geld, sodass man hier selbst schauen muss, wie man das finanziell wuppt. 10.000€ alleine für Flyer, die man per Post verschickt, sind schnell weg.
Wir haben zum Glück auch auf einige Spender*innen zurückgreifen können und ich hatte hier nie das Gefühl, jemandem etwas schuldig zu sein.
Meistens traf man sich, stellte die eigenen Projekte vor und daraus ergaben sich dann nette Gespräche.

Wie prägt ein Wahlkampf die eigene Person?

Ich habe die Menschen täglich virtuell mitgenommen zu meinen Besuchen und davon berichtet. 

Es waren sehr viele Termine und meine Schwester sagte zwischenzeitlich zu mir: “Wenn ich deinen Status sehe, bekomme ich Burnout!” Mich hingegen haben diese Gespräche und der Austausch mit vielen tollen Leuten so beseelt und glücklich gemacht, dass ich mich im Nachhinein trotz der Wahlniederlage überhaupt nicht als Verliererin fühle. 

Das Wort Wahlkampf passt für mich nicht zu dem, was ich erlebt habe. Für mich war es eine traumhaft schöne Zeit und sie hatte sogar etwas von Dauerurlaub, da ich nicht daheim war und arbeiten musste, sondern tolle Menschen und Projekte kennenlernen durfte. Viele glauben mir das nicht, weil sie es für sich anders wahrnehmen, aber diese Zeit war genau mein Ding. 

Ich habe in diesen sieben Monaten wirklich nur dazu gewonnen, abgesehen davon, dass ich nichts zu verlieren hatte. Heute, nach der Wahlniederlage, habe ich immer noch zweieinhalb tolle Jobs, die auf mich warten und eine Menge toller Erinnerungen im Gepäck. 

Umgang mit einer Wahlniederlage

Erstmal haben mir an dem Abend alle gratuliert, da es mein Geburtstag war ;).
Als dann die Ergebnisse kamen und ich realisierte, dass der Abstand zur SPD nicht mehr einzuholen war,
war ich natürlich erstmal traurig. 

Aber da waren so viele tolle Menschen aus der CDU, die mit mir daran gearbeitet haben und dies auch zukünftig tun werden, dass man in so einem Moment gar nicht so viel an sich selbst denkt, sondern an die Stärke der Gemeinschaft. Meine innerste Überzeugung habe ich dann auch am Wahlabend noch geteilt: Wir haben das zusammen gemacht und machen das auch weiterhin zusammen. 

Man stellt sich natürlich Fragen, woran es gelegen haben könnte und findet da auch die eine oder andere Antwort darauf. Mir wurde beispielsweise vorher gesagt, dass man nur 2-3% am Landestrend drehen kann.
Das will man natürlich nicht hören, wenn man sich selbst als beste Option für den Wahlkreis sieht, letztendlich ist da aber was dran.

Zudem war es realistisch gesehen auch nicht ganz leicht, als Quereinsteigerin direkt zu gewinnen. Ich habe für mich versucht, das relativ schnell in positive Energie umzuwandeln. Ich schaue mir immer an, wie es weitergeht und was man anders machen kann, nicht, was wir falsch oder schlecht gemacht haben. 


Wie schafft man es, sich trotz einer (öffentlichen) Niederlage
als Gewinner*in zu sehen? 

Natürlich stellt man sich im Nachgang die Warumfrage, man hat aus meiner Sicht aber in vielen Fällen bei solch einer Kandidatur auch relativ wenig Einfluss darauf. Man kann da auch keine Vergleiche zu einer vorigen Landtagswahl ziehen, da es auf so viele Faktoren und auch auf die allgemeine Stimmung in der Bevölkerung ankommt.

Ich denke, dass man sich als Kandidat*in auch weniger wichtig nehmen darf. Man gibt natürlich sein Bestes, hat als Einzelperson aber auch keinen Einfluss auf alle Faktoren im Außen.
Wenn das Wahlergebnis so richtig knapp gewesen wäre, dann hätte ich mich vermutlich mehr geärgert und sicherlich auch mehr hinterfragt, ob das ein oder andere Gespräch noch sinnvoller gewesen wäre. 


Wie geht es weiter: Pause machen oder weiter Gas geben?

Wir waren eine Woche mit dem Wohnmobil im Urlaub, mehr Pause gibt's nicht ;). 

Ich habe aus meinem Wahlkampf sehr viele Ideen mitgenommen und auch schon erste Projekte angeschoben. Ich bin ja im Kreistag und werde nun von dort aus die Landespolitik beobachten und den Finger in die Wunde legen. Ich habe so viele tolle Leute und Projekte kennengelernt, dass ich gar nicht aufhören kann und es sofort weitergeht. 

Es ist schon komisch, wenn einen überall die Leute erkennen und ansprechen.
Ich bin da aber total bodenständig und würde mich jetzt nicht als wichtig ansehen, auch wenn man sich hier und da fühlt wie ein Influencer, wenn einen Schüler nach einem Selfie fragen ;). 

Ich mache einfach weiter mein Ding und setze die Projekte um, die ich mir auf die Fahne geschrieben habe.
Ich bleibe dran und werde die fünf Jahre jetzt nutzen, um diesen Bekanntheitsgrad bei uns auszubauen. 


Was können Parteien tun, um Kandidaten zu halten, die nicht gewählt wurden?

Es ist unser Bestreben, Parteimitglieder, die an einer Wahl “gescheitert” sind, in Projekte einzubinden. 

Das ist oft jedoch nicht so einfach, weil die, die gewählt wurden, in die Themen voll involviert sind und sich dann auch erstmal auf sich konzentrieren. Hier bräuchte man nochmal ein bis zwei Kolleg*innen, die die anderen im Blick behalten. Das funktioniert aus meiner Sicht bisher nur mittelgut und ist ausbaufähig. 

Es wäre schön, Interessierte bei der Stange zu halten, sie mitzunehmen, bekannter zu machen und weiterhin für sich zu gewinnen. Ansonsten geht es nach 5 Jahren los, dass man wieder neue Leute sucht.


Mein Appell: 

Traut euch was, lebt euren Traum und folgt eurem Herzen! 

Wenn man ein Ziel hat und sich authentisch dafür einsetzt, lohnt sich das immer. 

Man wird beschenkt, selbst dann, wenn man vielleicht verliert.
Es lässt sich eine Menge bewegen, selbst wenn man nicht in einen Orts- oder Gemeinderat gewählt wird. 

Datum des Interviews: 02.11.2022

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Moin, ich bin Janina Tiedemann.

Ich bin Moderatorin und stärke als Trainerin und Speakerin seit 6 Jahren Frauen für Führungspositionen in Politik & Verbänden.
Wir brauchen tolle Frauen, die die Gesellschaft gestalten wollen!

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