Welchen Blick haben Frauen auf Macht und Gremienarbeit?
Welche Bedenken gilt es bei Frauen für Führungsämter zu entkräften?
Gibt es ein Erfolgsrezept für mehr Frauen in Vorständen?
Antworten auf diese Fragen gibt Katharina Reuter im Rahmen der Interviewreihe “Einstieg. Aufstieg - für Frauen in Politik & Verbänden”.Katharina Reuter
Geschäftsführerin Bundesverband
Nachhaltige Wirtschaft
Welchen besonderen Blick haben Frauen auf Macht und Gremienarbeit?
Aus der weiblichen Perspektive ist Macht oft negativ besetzt, weil sie sehr stark mit Machtkampf und einer ungleichen Situation verknüpft wird. Man wird aus diesem Grund wenig Frauen finden, die sagen: “Ich möchte geplant in eine machtvolle Position!” Ganz oft, wenn man Frauen danach fragt, wie sie in ihre machtvolle Position gekommen sind, antworten diese, dass das “irgendwie Zufall war”.
Das wiederum ist schon ein Teil des Problems, da diese Aussage als Vorbild für die nächste Generation dient und das Bild bekräftigt, dass ich nicht planen kann, in eine Machtposition zu kommen.
Als ich vor 8 Jahren die Geschäftsführung des Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft übernommen habe, war der Vorstand ein rein männlich besetztes Gremium. Die damals aktiven Vorstandsmitglieder haben Stein und Bein geschworen, sie hätten alles versucht, aber es gäbe keine Inhaberinnen, keine Geschäftsführerinnen, die für dieses Gremium zu gewinnen wären.
Dabei stand in der Satzung des Verbandes schon damals, dass die Hälfte der Vorstandsämter von Frauen besetzt werden sollen. Es war sehr spannend für mich den darauffolgenden Prozess zu beobachten und zu begleiten. Ich habe mich viel damit auseinandergesetzt, woran es in der Vergangenheit gescheitert war, mehr Frauen für das Gremium zu gewinnen und ich habe auch mit anderen Frauen darüber gesprochen. Die Rückmeldung einer früheren Vorständin war beispielsweise, dass es für sie total doof gewesen sei, alleine mit 10 Männern im Vorstand zu sitzen. Ich habe daraufhin beschlossen, die Unternehmerinnen für den Vorstand im Paket zu suchen und direkt 6 Frauen anzusprechen.
Im Laufe dieses Prozesses konnte ich bei den Frauen sehr viele Bedenken beobachten:
Bin ich gut genug dafür?
Ich stecke doch gar nicht in allen Themen drin!
Kann ich das immer zu 100% leisten?
Was ist, wenn ich mal ausfalle und mich um xy kümmern muss?
Die männliche Antwort auf die Frage für den Vorstand zu kandidieren ist in diesem Fall:
“Naja, ich hab zwar nicht in allen Themen immer den Überblick und werde auch nicht an allen Terminen teilnehmen können, aber ja klar, kann ich mir vorstellen!”
Das zeigt die unterschiedliche Herangehensweise von Frauen und Männern.
Ein Erfolgsrezept für mehr Frauen im Vorstand?
Das Versprechen an die einzelne Unternehmerin, dass es neben ihr fünf weitere Frauen im Vorstand geben wird und keine das alleine machen wird, hat in unserem Verband viel bewirkt. Des Weiteren habe ich im Gespräch mit den Frauen bereits im Vorhinein ihre ganzen Bedenken aufgenommen, versucht zu entkräften und so den möglichen Kandidatinnen Druck genommen. Ich habe ihnen aufgezeigt, dass ihre eigene Expertise aus ihren jeweiligen Unternehmen ausreichend Mehrwert bietet und sie nicht auf allen Gebieten Wissen mitbringen müssen.
Ich muss an dieser Stelle auch betonen, dass die männlichen Vorständler den gemeinsamen Weg in diese Richtung toll fanden und das auch bis heute so unterstützen, obwohl dadurch natürlich “Männer-”Plätze im Vorstand weggefallen sind.
Wir haben ein Wahlverfahren, das sicherstellt, dass die Plätze fair verteilt werden und wurden mittlerweile auch von einigen anderen Verbänden angesprochen, wie wir das geschafft haben.
Eine ausgewogene Geschlechterverteilung im Vorstand macht natürlich etwas mit der Atmosphäre; dennoch bedeuten mehr Frauen in den Gremien nicht, dass immer eitel Sonnenschein herrscht und alles leicht ist.
Vielfältig zusammengesetzte Gremien haben jedoch eine andere Qualität und sorgen für mehr Perspektiven und eine größere Bandbreite an Themen. Es werden mehr Blickwinkel berücksichtigt und das kommt uns als Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft insofern entgegen, da wir Wirtschaft ja auch anders denken möchten.
Netzwerke und Systeme um als Frau in Verbänden & Politik erfolgreich zu sein
Man darf nicht unterschätzen, wie stark und gut bestehende Seilschaften funktionieren.
Dafür braucht es ein Grundverständnis, dass nicht immer alles per se in einem harmonischen Umfeld zu erreichen ist. Man muss sich darüber bewusst sein, dass es die Fähigkeit braucht, Konflikte aushalten zu können und sich auch mit eigenen Themen durchzusetzen.
In der Politik werden zwar gerade viele Strukturen aufgebrochen, durch die Thematik der Vereinbarkeit von Politik mit der Familie, es sollte aber dennoch nicht unterschätzt werden, was alles in Hinterzimmern nach dem dritten oder vierten Bier besprochen wird.
Für junge Mütter und Väter stellt es sich weiterhin als Problem dar, wenn es nach der abendlichen Sitzung um
22 Uhr noch bis Mitternacht in die Kneipe geht und dort eigentlich die wichtigsten Gespräche des Abends geführt werden. In Frauenkreisen ist es auch weiterhin unüblich, dass man sein Gegenüber unter den Tisch trinkt, damit der oder die den Vertrag unterschreibt ;).
Wie entscheide ich, an welchen Netzwerkveranstaltungen ich teilnehme?
Ich schaue mir vor einer Veranstaltung an, wer dort auftritt und was ich mir von den Inhalten verspreche, um einzuschätzen, ob mich eine Teilnahme dort weiterbringen wird. Ich werfe immer einen Blick auf die Teilnehmerliste und entscheide dann schon im Vorhinein, zu wem ich noch Kontakt knüpfen möchte und wen ich dann bei den “Schnittchen danach” noch ansprechen werde. Ich schaue außerdem auf die Audienz, wer mir noch in meinem Netzwerk helfen könnte.
Natürlich kommen nicht immer alle Kontakte zustande. Aber selbst, wenn dann vor Ort nur ein oder zwei von denen da sind, die ich rausgesucht hatte, ist das immer noch gut.
Politik nutzen als Hebel für die Förderung ökologisch
und sozial nachhaltiger Geschäftsmodelle
Wenn wir uns den großen Berg an Herausforderungen im Bereich der Nachhaltigkeit anschauen, gibt es stets drei Gruppen von Adressat:innen, die etwas tun müssen: Das sind zum einen die Verbraucher:innen, dann die Unternehmen und die Politik.
Es wäre unfair, das nur auf die Verbraucher:innen oder auf die Unternehmen abzuwälzen und dann als Politik irgendwann nachzuziehen. Hier ist es wichtig die politischen Leitplanken zu nutzen, um nicht auf das Good-will der Einzelnen zu setzen, sondern alle zum Mitmachen zu bewegen.
Ein gutes Beispiel für einen solchen Hebel, der nachhaltiges Wirtschaften fördert, ist das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG), das die Markteinführung einer neuen Technologie gepusht hat oder auch die Start-Up-Förderung, die Gründer*innen ermutigt ein eigenes Unternehmen zu gründen.
Es braucht einen klugen Mix aus Förderung, Ordnungsrecht und Gesetzen und die Wichtigkeit, zu mehr Nachhaltigkeit zu verpflichten, um die Wende zu schaffen.
Außenwahrnehmung als Vorständin und Mitgliedschaft bei den Grünen
Der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft ist parteipolitisch unabhängig, entsprechend habe ich auch kein “grünes Amt” seit meiner Zeit als Geschäftsführerin inne, zumal mich meine Position auch vollkommen erfüllt und braucht.
Bei den Grünen bin ich mit bereits mit 17 Jahren eingetreten und habe dort die Jugendorganisation mit aufgebaut. Das fühlt sich für mich sehr nach Heimat an.
Obwohl es einige große politische Konflikte auszuhalten gab (und gibt), habe ich mich nie für einen Austritt entschieden. Man ist nie zu 100% deckungsgleich mit einer Partei; bei den Grünen sehe ich aber mit großem Abstand die für mich größten Schnittmengen.
Die lange Mitgliedschaft hat für mich positive Auswirkungen im Bereich Netzwerke und Kontakte, negative Auswirkungen in Kombinationen mit meinem Amt im Verband kann ich so nicht benennen.
Ich gehe offen auf Kolleg:innen aus anderen Parteien zu - denn ich finde es wichtig, dass man sich überhaupt in den politischen Prozess mit einbringt. Solange eine Partei demokratisch organisiert ist, sehe ich das immer als Teil unserer Gesellschaftsbildung.
Nachhaltigkeit und die Rolle der Frau
Frauen haben durch ihre Sozialisierung eine wichtige Rolle als Sorgende, die das Ganzheitliche im Blick haben.
In Organisationen, die viele Frauen in Führungspositionen haben, ist das Thema Nachhaltigkeit um einiges stärker verankert.
Mein Appell:
Ich möchte Frauen dazu ermutigen, keine Angst vor dem Machtthema zu haben, sich von dem “150% Perfektheitsdenken” zu trennen und den Mehrwert zu erkennen, selbst für Gremienarbeit zu kandidieren, auch wenn es erstmal trocken und nach Machtgehabe klingen mag.
Datum des Interviews: 04.04.2022