Politische Arbeit auf Kommunal-, Landes- und Bundesebene – zwischen Praxisbezug und Medienkompetenz

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Astrid Grotelüschen


Wie finde ich die "richtige" Ebene für den Einstieg in die Politik? 

Wie unterscheidet sich die politische Arbeit der einzelnen Ebenen? 

Weshalb ist Medienkompetenz als Politiker*in so wichtig? 

Antworten auf diese Fragen gibt Astrid Grotelüschen im Rahmen der Interviewreihe “Einstieg. Aufstieg - für Frauen in Politik und Verbänden”.

Astrid Grotelüschen

Unternehmerin, Dipl. oec.troph., MdB, Landesministerin, Kommunalpolitikerin, CDU


Politische Arbeit auf Kommunal-, Landes- und Bundesebene

Die größten Unterschiede finden sich nicht so sehr in den Strukturen, sondern in den Inhalten, den Themenbereichen.
Kommunalpolitik ist generell ein gutes Fundament, um die Grundzüge, wie Politik funktioniert, zu erlernen.
Auf Landesebene werden z.B. Entscheidungen getroffen, die ein gesamtes Bundesland betreffen, beispielsweise die Schulpolitik.

Auf Bundesebene wird über “ganz große” Weichenstellungen für das Allgemeinwohl entschieden - da sind Themen wie Gesundheit, Rente, Wirtschaftspolitik oder Klimaschutz an der Tagesordnung.
Die Wahrnehmungen und Lösungsansätze auf Bundesebene unterscheiden sich meist zu denen auf kommunaler Ebene.

Die Aufgabe der Kommunalpolitik ist es auch, Entscheidungen der Bundesebene vor Ort mit den entsprechenden Mandaten umzusetzen.
Hier ist ein klarer Vorteil, dass man direkt Ergebnisse der eigenen Arbeit sieht und auch häufiger vor Ort etwas davon hat. Das wird am Beispiel deutlich, wenn man sich etwa für mehr Kindergartenplätze in der eigenen Gemeinde einsetzt und ein neuer Kindergarten gebaut wird.
Gelingt ein solches ein Vorhaben, gibt das Zufriedenheit und Motivation.

Je “höher” die Ebene, desto kleinteiliger werden die Inhalte und man hat nicht immer den direkten Bezug zu Dingen, wie das auf kommunaler Ebene der Fall ist. Die Kleinteiligkeit ist in ihrer Spezialisierung umso wichtiger, dafür aber auch meist etwas abstrakter, insbesondere bei der Gesetzgebung.
Dies wird am Beispiel des Berufsbildungsgesetzes deutlich, für das ich mich eingesetzt habe, um z. B. Verbesserungen in der Ausbildung im Handwerk zu erreichen.
Wir konnten dort gute Ergebnisse erzielen.
Wichtig ist hierbei, dass man die Sicht jener versteht, die von einem solchen Gesetz betroffen sind, die davon profitieren sollen. Am besten gelingt dies, wenn man konkret mit Betrieben vor Ort im Austausch steht. 

Die “richtige” Ebene für den Einstieg

Ich empfehle für den Einstieg in die Politik selbstkritisch zu überlegen, welchen Weg man sich vorstellen kann und sich zu fragen, was man will und was man besonders gut kann. 

Ich habe mich persönlich für den “aufbauenden” Weg, beginnend mit der Kommunalpolitik und einer Themenvielfalt entschieden, weil ich den praktischen Bezug vor Ort brauchte und erst einmal Politik verstehen und erlernen wollte.
Wenn hingegen ein spezielles Wissen oder eine besondere Interessenlage vorliegt, ist durchaus ein “Kaltstart” sinnvoll und eine Frau sollte sich direkt die entsprechende politische Ebene aussuchen.

Letztendlich geht es bei allen Themen darum, dass man um Mehrheiten wirbt.
Das bedeutet für die eigenen Inhalte in der Partei zu werben und mit den anderen Parteien darum zu ringen. 

Die Entscheidung, ob man auf kommunaler Ebene oder auf Landes- bzw. Bundesebene tätig wird, hängt auch davon ab, was man selbst erreichen möchte.
Auf allen Ebenen, ist aus meiner Sicht, die Verbindung zu den Menschen und der Dialog mit Betroffenen und Akteuren wichtig, bevor politische Entscheidungen getroffen werden.


Mehr Praxisbezug in der Politik erreichen

Für mich war immer entscheidend, Politik in den Bereichen zu machen, in denen ich auch den praktischen Bezug habe, um genau dort etwas zu verbessern.

Neben der Tatsache, dass wir gern mehr Frauen in der Politik und ganz allgemein in Führungspositionen hätten, wünsche ich mir mehr Praxisbezug innerhalb der Politik.

Genau diesen Sachverhalt habe ich u.a. in meiner letzten Rede im Bundestag angesprochen. Viele Parlamente bilden nicht mehr ein Spiegelbild unserer Gesellschaft ab. Das gilt es zu ändern,

Wir brauchen in der Politik entsprechend Vielfalt, Fachwissen und Erfahrungen. Als Unternehmerin z.B. weiß ich, was es bedeutet über Bürokratie zu sprechen.

Gleiche Expertise wird auch in Bereichen wie Verbraucherschutz, Pflege und viele weiteren benötigt. Ein Praxisbezug ist aus meiner Sicht essentiell, um betroffenen Menschen die richtigen Fragen zu stellen und deren Themen dann in die Gesetzgebung miteinfließen lassen und damit gute Lösungen präsentieren zu können. 

Kriterien zur Aufgabenverteilung für wichtige Positionen

Vier Jahre war ich Mitglied mit zwei weiteren Kolleginnen, die letzten vier Jahre sogar nur die einzige Frau im Wirtschaftsausschuss der CDU/CSU Fraktion. Dies mag zum einen am Rollenklischee “können Frauen Wirtschaftspolitik?” gelegen haben, zum anderen auch auf mangelnde weibliche Bewerberinnen und zudem auf einen mit knapp 25% niedrigen Anteil an weiblichen Mitgliedern in unserer Fraktion zurückzuführen sein.

Die Kriterien für ein solches Amt sind immer auch in Abhängigkeit mit den aktiven Bewerber*innen zu sehen: jemand der bereits einen Ausschuss besetzt hatte, wird aus Gründen der Kontinuität oft bevorzugt.

Auch ein gewisser Länderproporz spielt auf Bundesebene eine Rolle.
Wenn für ein/e Vertreter/in eines Bundeslandes nur ein Sitz zur Verfügung steht und dort bereits vier Männer Schlange für das Amt stehen, braucht es als Frau gute Argumente.
Man kommt dann an dieser Stelle weiter, indem man etwas wagt und sich nicht von der Männerdominanz beeindruckt zeigt.

Es lohnt sich also immer zu kämpfen und eure Expertise zu zeigen!

Zum Schmunzeln:
In der Kommunalpolitik ist es mir mal passiert, dass meine Kreistags-Kollegen mir bei der Bewerbung um eine Position erklärt haben, dass ich diese nicht bekommen könne, da diese zum einen bereits von erfahrenen Männern besetzt war und es zudem notwendig wäre, an der jährlichen (männlichen) Skatrunde teilzunehmen. 
Tja, auch wenn andere Fähigkeiten für dieses Amt aus meiner Sicht wichtiger waren, ich konnte Skat spielen und bin in das Amt gewählt worden.

Während die Männer für einen Erfolg, zu dem sie auf dem Weg dorthin wenig beigetragen haben, gerne mal glänzen, findet man die Frauen häufiger in der inhaltlichen Ausarbeitung wieder. Da dürfen wir noch besser werden. Letztendlich sollte es aber immer um die Sache gehen! Während die Männer für einen Erfolg, zu dem sie auf dem Weg dorthin wenig beigetragen haben, gerne mal glänzen, findet man die Frauen häufiger in der inhaltlichen Ausarbeitung wieder. Da dürfen wir noch besser werden. Letztendlich sollte es aber immer um die Sache gehen

Meine Erfahrung als Landwirtschaftsministerin - vom Umgang mit Medien und dem Wiederaufstehen

Ich habe vor 10 Jahren sehr pragmatisch, offen und wagemutig das mir angebotene Amt der Landwirtschaftsministerin gerne angenommen.
Ich war hoch motiviert, voller Ideen und davon überzeugt, dass ich durch meinen Werdegang, mein Studium und meine berufliche Erfahrung die notwendige Kompetenz mitbrachte.

Unterschätzt habe ich damals, was in einem solchen Amt neben den fachlichen Aspekten erwartet wird und welchen Einfluss Öffentlichkeit und die Medien einnehmen.
Ich habe in dieser Zeit gelernt, dass auch Medienkompetenz für eine Ministerin eine große Rolle spielt und man sich darauf gut vorbereiten sollte, um klar und straight in der eigenen Kommunikation zu sein, zu wissen wie man ein Interview gibt, etc..

Negativ in Erinnerung ist mir geblieben, dass ich damals in der Öffentlichkeit nur über meinen Mann definiert wurde und mein vielfältiges Engagement, meine eigentliche Arbeit, mein Wissen sowie mein Hochschulabschluss keine Rolle spielten. Ich war schlicht und einfach die Frau meines Mannes - Schublade auf, Schublade zu.

Jan Grossarth, ein Journalist der FAZ, hat im Nachgang in einem Artikel, der vom Bundestagspräsidenten mit dem Medienpreis des Deutschen Bundestages ausgezeichnet wurde, herausgearbeitet, dass ich damals selbst gar nicht zu Wort gekommen war. Stattdessen gab es eine massive negative Berichterstattung, die über Bilder “transportiert” wurde. Es fand keine ausreichende Recherche statt, Fakten spielten kaum mehr eine Rolle.

Den Artikel hier lesen

Dieses von mir gezeichnete Bild war so stark, dass ich wirklich eine gewisse Ohnmacht empfunden habe.
Gelernt habe ich aus dieser Zeit, dass ich in meiner Kommunikation auch einiges hätte besser machen können.

Nach meinem Rücktritt brauchte ich eine Zeit der Erholung.
Nach einem halben Jahr fiel die Entscheidung für eine erneute Kandidatur zur Kommunalwahl auch, weil ich mich unfair behandelt und zu Unrecht “verurteilt” fühlte, ein “Jetzt erst Recht!” wirkte motivierend.

Zudem hatte ich vor dem Ministeramt immer gute Wahlergebnisse und ein Bundestag- Direktmandat geholt.
Das zeigte mir, dass mein Engagement bei den Menschen in meinem Wahlkreis Anerkennung gefunden hatte. Sie konnten gut trennen zwischen dem von den Medien gezeichneten Bild und meiner Person bzw. dem was ich mit meiner Arbeit für sie im Wahlkreis erreicht habe und noch erreichen wollte.

Da ich trotz dieser negativen Erfahrung weiterhin Lust hatte, Politik mitzugestalten, Menschen und Themen mir am Herzen lagen, stellte ich mich wieder zur Wahl.
So kam es, dass ich bei der Kommunalwahl 2011 im Herbst mit dem besten Ergebnis aller Bewerber*innen wieder gewählt wurde und im Jahr darauf zum zweiten Mal das Direktmandat und damit den Einzug in den Bundestag erneut geschafft habe.

Dieses Direktmandat war für mich wohl der wichtigste und größte Erfolg und zudem Genugtuung und hat mich für meinen weiteren politischen Weg gestärkt.


Mein Appell: 

Frauen macht euch auf den Weg, traut euch und haltet durch, auch wenn es mal eine Niederlage gibt!


Datum des Interviews: 11.11.2021

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Moin, ich bin Janina Tiedemann.

Ich bin Moderatorin und stärke als Trainerin und Speakerin seit 6 Jahren Frauen für Führungspositionen in Politik & Verbänden.
Wir brauchen tolle Frauen, die die Gesellschaft gestalten wollen!

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