Welche Kompetenzen brauchen Frauen in der Interessenvertretung?
Wie organisiere ich Familie und einen Beruf in Führung?
Wie finde ich meinen eigenen Stil in einem Amt?
Diese und weitere Fragen beantwortet Dr. Hildegard Sander im Rahmen der Interviewreihe “Einstieg. Aufstieg - für Frauen in Politik & Verbänden”.
Dr. Hildegard Sander
Hauptgeschäftsführerin Landesvertretung
der Handwerkskammern Niedersachsen
Welche Fragen sollten sich junge Frauen stellen im Bezug
auf anzustrebende Führungspositionen?
Führung und Karriere beanspruchen Zeit und Flexibilität.
Wenn man vor der Entscheidung steht, eine Führungsposition anzustreben, sollte man aus meiner Sicht schauen, dass man für sich den richtigen Rahmen findet.
Mit Kindern, denen man als Eltern gerecht werden möchte, ist das zeitliche Korsett eng geschnürt. Es braucht dann zuhause eine verlässliche Unterstützung, wie z.B. den Lebenspartner oder eine andere vertraute Person.
Das gilt für berufstätige Männer und Frauen, die eine Führungsfunktion anstreben, gleichermaßen.
Gerade aber Frauen sollten darauf achten, dass sie sich entlasten und nicht durch die Übernahme einer Doppelrolle glauben, alles wuppen zu können. Da braucht es schon eine echte Partnerschaft.
Denn Familie und Beruf müssen nebeneinander funktionieren können, ohne dass ein schlechtes Gewissen gegenüber Kind, Job oder Partner/-in ein ständiger Begleiter ist. Dieses muss vor allem mit dem Partner klar abgesprochen sein.
Und trotzdem muss man sich als Mutter in verantwortungsvoller Position darüber im Klaren sein, dass es immer wieder Situationen geben wird, in denen das Kind krank ist und der Job fordert, weil sich nicht einfach alles absagen lässt. Hier erlebt man die ein oder andere emotionale Herausforderung, die es auszuhalten gilt und in der man die Kinderbetreuung in andere, ebenso vertrauensvolle Hände geben muss - zumindest ging es mir so.
Die wichtigsten Stellschrauben für die Vereinbarkeit von Familie und Führung
Die wichtigste Stellschraube ist, Unterstützung von außen zu holen, speziell wenn z.B. beide Elternteile berufstätig sind. Wenn nach einem langen Arbeitstag oder einer Arbeitswoche noch die gesamte Hausarbeit zu erledigen ist, stresst das alle. Die freie Zeit, die man hat, sollte man dann auch für die Kinder freihalten und sich nicht davor scheuen, sich eine Haushaltshilfe und andere Unterstützung von außen zu “gönnen”. Das musste ich lernen und ich war froh, dass ich eine berufstätige, ältere Schwester mit vier Kinder habe, die mir das nahegelegt hat.
Wie managt man 12 Ämter auf Landes- und Bundesebene
neben drei Kindern und einem Privatleben?
In den jungen Jahren meiner Kinder hatte ich weniger Ämter, die 12 ergaben sich erst in den letzten Jahren; mittlerweile sind alle drei Kinder volljährig. Man managt diese Ämter mit einem sehr guten Team im Rücken, dem man Vertrauen schenkt und Aufgaben delegiert.
Meine Erfahrung zeigt, dass Teammitarbeiter*innen oft mehr können, als man ihnen anfangs zutraut und man das dann gemeinsam gut schafft. Trotzdem muss man auch selbst gut organisiert sein, sich Freiräume schaffen und private Belastungen fernhalten, die das ganze erschweren würden. Solche Ämter verlangen einiges an Terminen, die man wahrnehmen muss und eine entsprechende zeitliche Flexibilität.
Entscheidend ist aus meiner Sicht jedoch das gute Team, das die Termine mit vorbereitet.
In dem Moment, in dem man in Führung wechselt, sind es die Mitarbeiter*innen, die fachlich mehr wissen als man selbst, weil einem das Zeitspektrum dafür fehlt in die Tiefe zu gehen. Die Fäden in der Hand zu halten und sich das Wissen entsprechend einzuholen, das macht Führung aus.
Ich bin der Auffassung, dass man den eigenen Stil leben sollte, man nicht zu bescheiden sein darf und sich nicht zu klein machen sollte. Auch meinen Mitarbeiter*innen sage ich immer, dass sie in den Veranstaltungen wahrnehmbar sein und eine Duftnote hinterlassen dürfen.
Man sollte auch das Wort ergreifen und sowohl gut als auch rational argumentieren können. Meine Erfahrung zeigt, dass man mit guten Argumenten auch einen Eindruck hinterlässt. Ich merke, dass meine Mitglieder mir folgen, wenn sie spüren, dass ich eine Lösung für ihre Probleme habe.
Den eigenen Stil in ein Amt einbringen
Die Landesvertretung der Handwerkskammer existiert bereits seit 1900 und ich bin die erste Frau als Hauptgeschäftsführerin. Ich hatte einen tollen Vorgänger - ein politisches Schwergewicht - und so wurde mir bei meiner Amtsübernahme auch mitgegeben, dass ich in große Fußstapfen trete.
Einer Meinung aus dem Team, dass ich nun einen Abdruck mit Stöckelschuhen hinterlassen werde, musste ich entgegensetzen, dass ich diese weniger gern trage. Ich werde einen eigenen Fußabdruck hinterlassen und empfehle auch jeder Frau und jedem Mann, es nicht einem Vorgänger gleich tun zu wollen, sondern einen eigenen Stil zu finden und sich da auch keinen Druck machen zu lassen.
Sich nicht klein machen lassen
Es passiert immer mal wieder, dass Menschen versuchen die Position von anderen zu untergraben.
In meinen beruflichen Anfangsjahren brachte ich in einer Männerrunde als junge Kollegin einen kritischen Einwand. Dieser passte dem Vorsitzenden der Runde nicht, was er kommentierte mit:
“Also Fräulein Sander, das passt jetzt nicht!” Ich entgegnete ihm daraufhin souverän, aber mit innerlicher Schnappatmung: “Für Sie immer noch Frau Dr. Sander!”
Ich denke an dieser Stelle war es wichtig, sachlich aber bestimmt zu zeigen, dass er meiner Person keine Wertschätzung entgegengebracht hatte und dies auch in der ganzen Runde deutlich zu machen.
Fair play begegnet einem leider nicht überall und es gibt Menschen, die einen diskreditieren wollen, auch darauf sollte man vorbereitet sein.
Darauf war ich allerdings nicht immer vorbereitet: Ich war gerade erst ein paar Wochen im Amt als Hauptgeschäftsführerin, als ein gleichgestellter Kollege innerhalb einer Runde zu mir sagte: “Frau Sander, Sie sehen aber schlecht aus!” Ich interpretierte seine Aussage als mitfühlend, zumal damals tatsächlich herausfordernde Wochen hinter mir lagen, bis eine Kollegin mich einweihte, dass das seine Masche sei. Damit wolle er zum Ausdruck bringen, dass Frauen, die solche Ämter übernehmen, damit überfordert seien. Ich konnte diese Aussage zwar für mich abhaken, habe mich aber dennoch darüber geärgert und konterte entsprechend im Rahmen einer anderen Runde, dass er ziemlich schlecht aussähe und sich doch sicher auf den Ruhestand freuen würde 😉
Ich habe aus dieser Erfahrung mitgenommen, dass man solche Aussagen nicht nur aus Frauensicht per se als mitfühlend betrachten sollte, sondern auch in Erwägung zu ziehen, dass hier ein Machtspiel gespielt wird.
Ich empfinde es als wichtig, in solchen Situationen immer zu reagieren und Aussagen nicht einfach stehen zu lassen.
Je nach Gegenüber würde ich abwägen, in welcher Art und Weise ich reagiere. Wenn ich mich emotional zu sehr angegriffen fühle, sodass ich meinen Punkt nicht sachlich klären kann, würde ich zu einem späteren Zeitpunkt nochmal das Gespräch suchen.
Wichtige Kompetenzen für die Interessenvertretung
Ich sehe, dass viele Frauen fachlich sehr gut qualifiziert sind und es an dieser Stelle keine Probleme gibt.
Statt weiterer fachlicher Fortbildung würde ich einigen dieser Frauen tendenziell eher ein Training der eigenen Rhetorik empfehlen.
Manchmal ist man erstaunt, dass sich eine Frau nicht zu Wort gemeldet hat und im späteren informellen Austausch eine Kompetenz deutlich werden lässt, die man/frau nicht vermutet hätte. Frauen in unserem Bereich sollten sehr kommunikationsfähig und gerade im Verbands- und Kammerwesen auch sehr ausgleichend sein.
Die Kompetenz zu moderieren und als Mediatorin aufzutreten ist essentiell, da verschiedenste Interessen zusammengebracht werden müssen, um dann manchmal den kleinsten gemeinsamen Nenner auf den Weg zu bringen.
Mein Appell:
Habt keine Angst vor großen Aufgaben, sobald man sich ihnen nähert, werden die Aufgaben kleiner.
Sagt und zeigt, was ihr könnt und übernehmt dann diese Aufgaben und die Verantwortung.
Datum des Interviews: 09.12.2021