Wie bereite ich mich auf eine Spitzenposition vor?
Wie kommuniziere ich in schwierigen Situationen?
Wie gehe ich mit verbalen Angriffen von um?
Diese und weitere Fragen beantwortet Barbara Otte-Kinast im Rahmen der Interviewreihe “Einstieg. Aufstieg - für Frauen in Politik & Verbänden”.
Barbara Otte-Kinast
Nds. Ministerin für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Vorbereitung auf verantwortungsvolle Ämter & Wahlkampf
Bevor ich das potentielle Amt als Landwirtschaftsministerin (im Schattenkabinett) zugesagt habe, habe mich intensiv in dieses Amt hineinversetzt. Während ich mich noch fragte, ob ich das kann, war es letztendlich mein Mann, der sagte "Ja, du kannst das". Er wies mich darauf hin, dass ich andere immer zur Übernahme von Führungsverantwortung motiviert habe, dass ich Janina Tiedemann damals in den Verband geholt habe, um die Frauen für Führungsaufgaben zu stärken und deshalb das Angebot gar nicht ablehnen könne.
Als meine Zusage stand, wurde ich von vielen Landtagsabgeordneten eingeladen und habe viele Menschen aus den unterschiedlichen Bereichen (der Landwirtschaft und des ländlichen Raums) gesprochen. Vorab habe ich mich immer schlau zu entsprechenden Themen und Regionen gemacht, versucht jede Terminanfrage wahrzunehmen und mich in die Debatte vor Ort begeben.
Mir war es wichtig, wirklich die Menschen und ihre Herausforderungen zu verstehen. Auch die jeweiligen Abgeordneten haben mich gut informiert.
Während des Wahlkampfes war es wunderbar so viele Bekannte und gerade LandFrauen (Verbandsmitglieder) wiederzusehen. Da habe ich gespürt, wie wichtig es ist, ein Netzwerk zu haben. Gerade vor großen Diskussionen, wo ich mich in erster Zeit vielleicht auch eher fremd gefühlt habe, war es bestärkend, wenn jemand auf mich zu kam und sagte: "Hey, ich bin da und stell dir gleich auch eine Frage."
Wenn auf Podiumsdiskussionen kritische Fragen kamen, haben die Menschen aus meinem Netzwerk oft die richtigen Fragen gestellt, um die Diskussion wieder in gute Bahnen zu lenken und mir eine Bühne zu bieten.
So konnte ich oft über meine wirklichen Herzensthemen sprechen. Diese Unterstützung hat mich durch den Wahlkampf getragen und trägt mich jetzt auch durch das Ministeramt.
Gute Vorbereitung ja, Perfektionismus nein
Im Kreistag habe ich mich zuerst immer gefragt: "Wie bekommen die anderen das alles hin?" Bis ich merkte: wir Frauen bereiten uns meist 110% und auf alle Eventualitäten vor.
Bei einigen Männern sehe ich, dass sie drei Überschriften lesen und sich denken: "Naja, ich stelle dann die passende Frage" und diese Frage reicht dann ggf. schon aus, um in diesem Thema weiterzukommen.
Wir Frauen sollten in der Vorbereitung und in der Frage, was wir wirklich wissen müssen, gelassener werden; ansonsten trauen sich weiterhin zu wenig Frauen in entsprechende Ämter.
Als Ministerin, die kein gewähltes Landtagsmitglied war, sondern von außen kam, musste ich mich erst beweisen. Vertrauensaufbau kostet immer etwas Zeit.
Kommunikation in schwierigen Situationen
Seminare und Fortbildungen, die ich über Jahre besucht habe, haben mir einen guten Werkzeugkasten gegeben - gerade was Krisenkommunikation angeht.
Herausfordernd finde ich die Distanz zu wahren. Da wir selbst einen landwirtschaftlichen Betrieb haben, kann ich die Sorgen und Ängste gut nachvollziehen. Doch klar ist auch: es gibt Vorgaben aus Brüssel, die ich als Ministerin umsetzen muss.
Reden vor Demonstrierenden zu halten ist herausfordernd, doch auch dieser Austausch ist mir sehr wichtig.
Ich will Menschen nicht verurteilen, sondern sie verstehen. Gerne hole ich alle an einen Tisch, sodass ein Miteinander auf Augenhöhe geschaffen wird. Dies trägt auch dazu bei, dass Dinge erst gar nicht eskalieren.
Ich kann nur etwas senden, wenn der andere es auch empfangen will. Wenn Menschen von Beginn an keine andere Meinung zu lassen, überlege ich mir, wieviel Energie ich in solche Diskussionen stecke.
Umgang mit Angriffen
Von der Opposition in Plenardebatten angegangen zu werden, daran musste ich mich gewöhnen, bzw. ich bin gelassener geworden, weil ich nicht weiß, ob ich mich jemals daran gewöhnen werde. Über die Zeit habe ich gelernt, dass es einfach die Rolle der Opposition ist. Ich versuche, diese Angriffe abtropfen zu lassen.
Dies gelingt mir mal mehr, mal weniger. Mit ein paar Jahren Erfahrung kann man sich hierauf schon vorbereiten.
Anfangs haben mich die Angriffe noch länger beschäftigt und ich habe hinterfragt, ob ich noch anders hätte reagieren können. Doch dann habe ich festgestellt, dass ich mir teils Nächte-lang Gedanken gemacht habe und für mein Gegenüber war der Punkt schon längst abgehakt. Häufig machen wir Frauen uns noch lange Gedanken und die Männer gehen danach ein Bier trinken. Wir sollten uns bewusst machen, dass entsprechende Angriffe manchmal einfach zum Job gehören und nicht persönlich gemeint sind.
Angriffe in Debatten lächle ich oft einfach weg.
Wenn jemand bei Fragen, die ich schon beantwortet habe, immer wieder nachbohrt stelle ich auch gerne eine Gegenfrage oder kontere, ob derjenige auch noch eine andere Frage auf Lager hat. Wichtig ist es hierbei weiterhin freundlich und gelassen zu bleiben.
Mir hilft es, mir bewusst zu machen, dass ich eine tolle Familie und ein Netzwerk habe, das mich trägt. Auch wenn ich aus irgendwelchen Gründen von heute auf morgen aus der Politik verschwinde(n muss), weiß ich, ich hatte vorher ein Leben und werde auch hinterher eins haben. Die Tatsache, dass Politik nicht mein ganzes Leben ist, trägt viel zu meiner Gelassenheit bei.
Als ich von einer "Tierschutzorganisation" ins Visier genommen und öffentlich mittels eines Fahndungsplakats angegangen wurde, hat mich das sehr geschockt und ich empfand es als extrem brutal. Im zweiten Moment habe ich mir Sorgen um meine Familie gemacht. Als das Plakat erschien, war ich auf einer Sitzung und meine Kolleg*innen sprachen mich an, da sie merkten, dass ich ganz verstört war.
Dann zu erleben, dass die ganze Fraktion sagte: "Das geht gar nicht und wir stehen alle hinter dir" war sehr aufbauend. Eine Gruppe zu haben, die einen in so einer Situation versteht, ist wichtig und man muss sich auch mitteilen - egal ob gegenüber Kolleg*innen oder seiner Familie.
Mein Appell:
Wir dürfen immer an uns arbeiten und gleichzeitig authentisch bleiben.
"Jeder Weg ist gut, solange es dein eigener ist".
Datum des Interviews: 03.05.2021